
Nahezu wöchentlich erreichen mich Anfragen nach forensischen Möglichkeiten das tatsächliche Alter einer Urkunde anhand des benutzten Schrifteinfärbemittels bestimmen zu können. Zurzeit verfügt die forensische Disziplin „Urkundenprüfung” über keine sichere Methode zur Altersbestimmung von Schrifteinfärbemitteln. Die Disziplin der forensischen Urkundenuntersuchung stößt hier an Ihre Grenzen.
Ein direktes Verfahren zur Bestimmung des Alters einer Kugelschreiberpaste ist die Gaschromatografie-Massenspektronomie (GC-MS) mit Thermodesorption bei unterschiedlichen Temperaturen. Da die grundlegenden Bedingungen hierzu jedoch nur in wenigen Einzelfällen erfüllt werden, ist die Frage nach dem Tatsächlichen Alter einer Kugelschreiberpaste auch nur sehr selten zufriedenstellend zu beantworten. Nach bisherigen Erfahrungen geht man davon aus, dass der mittels dieser Methode nachweisbare Alterungsprozess nach ca. 12 Wochen ab dem Auftragen auf das Papier abgeschlossen ist.
Aktuelle Situation:
Es gibt in Europa nur wenige staatliche Urkundenlaboratorien, welche diese Untersuchungsmethode vorhalten und beherrschen. Diese wenigen kriminaltechnischen Untersuchungsstellen werden zudem nur für behördliche Auftraggeber tätig. Private Sachverständige sind mir nicht bekannt, welche über diese kostspielige apparative Technik verfügen.
Dieser Problematik hat sich Frau Dr. Celine Weyermann gestellt und ihre Untersuchungsergebnisse 2005 in einer wissenschaftlichen Arbeit „Massenspektrometrische Untersuchung der Alterungsprozesse von Kugelschreibertinte für die Echtheitsprüfung von Dokumenten” veröffentlicht. Dieser Sachstand entspricht heute noch dem Status quo der forensischen Urkundentechnik. Der wissenschaftlich Interessierte kann sich unter den beiden nachfolgenden Links in diese Problematik einlesen.
• http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2006/3044/index.htm
• http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2006/3044/pdf/WeyermannCeline-2005-09-23.pdf
Da ich Ihnen bei Fragen nach dem tatsächlichen Alter eines handgeschriebenen Textes oder Unterschrift nicht weiterhelfen kann, bitte ich von Anfragen zu diesem Thema abzusehen.
Alternative Möglichkeit
Eine methodisch nicht angreifbare Möglichkeit das Alter eines Schriftstückes widerlegen zu können besteht im Nachweis materialmäßiger Anachronismen. Das bedeutet, dass nachvollziehbar zu belegen ist, dass die verwendeten Materialien, wie Schreibgerät, Drucktechnik, Formulare oder auch spezielle Papiersorten zum behaupteten Herstellungsdatum noch nicht zu Verfügung standen. In der Regel gelingt dies nur bei großen Zeitsprüngen.
Das ESDA-Verfahren, wie ich es auf meiner Website vorgestellt habe, wird hier zu einer unverzichtbaren Untersuchungsmethode. Es wird zum Nachweis möglicher Anachronismen und latent vorhandener Eindruckspuren eingesetzt, welche Hinweise auf die möglichen Entstehungsbedingungen des strittigen Schriftstücks liefern können.
Altersbestimmung von Papier
Das Alter eines Papiers lässt sich nicht einfach mittels apparativer Technik bestimmen. Der einzig realistische, wenn auch mühsame und langwierige Weg führt über die Identifizierung des vorliegenden Produktes. Dies gelingt in der Regel nur, sofern das Papier mit einem Wasserzeichen ausgestattet und damit der Hersteller zu ermitteln ist.
Nun lässt sich gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Hersteller das Markteinführungsdatum und damit ein feststehender Bezugszeitpunkt ermitteln. Dies setzt jedoch immer eine mikroskopische Untersuchung des Schriftträgers bezüglich Format, Wasserzeichen, Formation, Siebstruktur, Zellstoffzusammensetzung und Füllstoffart voraus. Dieses sehr aufwendige und kostenintensive Procedere scheint daher nur in wenigen ausgewählten Verfahren vertretbar zu sein.
Spielen größere Zeiträume (mehrere Jahrzehnte) eine Rolle, so ist auch eine absolute Altersbestimmung über die verwendeten Inhaltsstoffe des Papiers denkbar.
Bei Massenprodukten (z. B. normalem Schreibpapier) scheitert aus forensischer Sicht die Beantwortung der Frage nach dem absoluten Alter des Schriftträgers an der weitgefächerten und globalen Produktpalette.
Papiervergleich
Die Frage hingegen, ob zwei Papiersorten gleich sind, lässt sich einfacher durch die zur Verfügung stehenden physikalisch-technischen Untersuchungsmethoden beantworten.